Kreislaufwirtschaft in der Praxis: Wie können Produkte nachhaltiger gestaltet werden?

Verantwortung übernehmen und umweltbewusst produzieren: Damit das nicht nur ein theoretisches Ziel bleibt, braucht es Maßnahmen und Tools, um Nachhaltigkeit bei der Produktentwicklung und -herstellung zu verankern und Schritt für Schritt umzusetzen. Doch was bedeutet das in der Praxis? Wie legt man fest, ob die eigenen Produkte nachhaltig sind? Nina Stolle, Head des Go-to-market Teams der Division Interior Solutions, verrät in einem Interview, wie wir bei REHAU anhand eines neuen Tools bestehende und neue Produkte auf Nachhaltigkeit überprüfen und optimieren können.

Eines der Kernthemen der REHAU Nachhaltigkeitsstrategie ist die Kreislaufwirtschaft oder Zirkuläre Wirtschaft. Kannst du kurz erklären, was genau das bedeutet?

Nina Stolle: Vereinfacht gesagt ist die Kreislaufwirtschaft eine veränderte Sicht auf unsere Umwelt. Früher hat man von einer linearen Ökonomie gesprochen. Diese stand für die klassische Wegwerfgesellschaft – man kauft ein Produkt, verwendet es und am Ende des Produktlebens wird es entsorgt. Jetzt wird man sich immer bewusster, dass unsere Ressourcen auf der Welt endlich sind und wir achtsam damit umgehen müssen. Die Kernfrage der Kreislaufwirtschaft ist daher: Wie kann ich Produkte so lange wie möglich im Kreislauf halten? Das gelingt, indem ich Ressourcen einspare, recycle oder wiederverwende oder indem ich auf umweltschonendere Materialien umsteige. 

Das klingt nach einer großen Aufgabe. Wie kann man diesen Ansatz in der Praxis umsetzen?

Nina Stolle: Vor knapp drei Jahren habe ich begonnen, mich privat verstärkt mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen. Während meiner Recherchen habe ich festgestellt, wie komplex das Thema in all seinen Facetten ist. Kaufe ich lieber die regionalen Bio-Tomaten in Plastikfolie oder unverpackte Tomaten aus Südeuropa? Welchen Unterschied macht es, ob ich ein T-Shirt aus Biobaumwolle oder aus normaler Baumwolle kaufe? Viele dieser Fragen konnte ich für mich nicht beantworten und deshalb endeten sie häufig mit einem schlechten Gewissen. Diese Erfahrung brachten mich auch im Berufsleben zum Nachdenken: Wie kann ich als Produktmanagerin dazu beitragen, unsere Produkte nachhaltiger zu gestalten? Für mich ist einer der wichtigsten Punkte, dass man aufschlüsselt, in welche Kriterien sich Nachhaltigkeit aufteilt. Ist das festgelegt, können Produkte anhand der definierten Nachhaltigkeitskriterien beurteilt und verbessert werden. Und so entstand die Circular Scorecard.



„Für mich ist einer der wichtigsten Punkte, dass man aufschlüsselt, in welche Kriterien sich Nachhaltigkeit aufteilt. Ist das festgelegt, können Produkte anhand der definierten Nachhaltigkeitskriterien beurteilt und verbessert werden.“

Nina Stolle, Head des Go-to-market Teams der Division Interior Solutions

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Was ist die Circular Scorecard?

Nina Stolle: Die Circular Scorecard ist eine Bewertungsmatrix für Kollegen und Kolleginnen aus unterschiedlichen Bereichen, zum Beispiel aus der Produktentwicklung, Logistik oder den Werken. Sie ist eine Kriterien-Checkliste, mit der wir unsere Produkte nach zirkulären bzw. nachhaltigen Aspekten beurteilen und anpassen können in dieser komplexen und häufig nicht schwarz-weißen Welt. Wir geben einen Leitfaden an die Hand, der auf folgenden vier Hauptkategorien basiert: die Energieversorgung (Circular Energy Supply), die verwendeten Materialien (Circular Product), die Herstellung (Circular Production) sowie das allgemeine Umfeld des Produkts (Circular Society). Für jede Hauptkategorie wurden untergeordnete Kriterien definiert, mit denen man sein Produkt auf Verbesserungspotenzial überprüfen kann. 

Welche Basis wurde für die Kriterien hergenommen? 

Nina Stolle: Als Basis für die Entwicklung dieser Kategorien und Kriterien wurden die international anerkannten Sustainable Development Goals (SDG) der Vereinten Nationen und die Grundlagen der Global Reporting Initiative (GRI) verwendet. So kann jedes Kriterium und jede Kategorie sowohl auf spezifische GRIs als auch bestimmte SDGs zurückgeführt werden. Dies war uns sehr wichtig, da wir etwas entwickeln wollten, das an extern vorhandene Grundlagen anschlussfähig ist. 

Dieses Projekt verlangte mit Sicherheit Expertise aus verschiedenen Bereichen. Wie wurde die Circular Scorecard entwickelt?

Nina Stolle: Die Circular Scorecard wurde während meiner Zeit bei REHAU New Ventures initiiert und gemeinsam mit unserem Nachhaltigkeitsbeauftragen und einer Vielzahl an Experten und Expertinnen aus unterschiedlichen Bereichen bei REHAU entwickelt. Nachhaltigkeit wird bei REHAU gesamtheitlich gedacht. Nur wenn wir in interdisziplinären Teams zusammenarbeiten, schaffen wir es, als Gesamtunternehmen nachhaltiger zu werden. Dafür arbeiten wir nicht nur abteilungsübergreifend zusammen, sondern auch oft Hand in Hand mit weiteren Teilkonzernen, in diesem Fall mit REHAU Automotive, REHAU New Ventures und Meraxis.

Wie wird nun ein Produkt nachhaltiger gemacht mit Hilfe der Circular Scorecard?

Nina Stolle: Die Circular Scorecard kann einerseits angewandt werden, um existierende Produkte in Punkto Nachhaltigkeit zu bewerten und gezielt zu modifizieren. Auf der anderen Seite kann sie auch schon als Ratgeber während der Produktentwicklung genutzt werden. Dies ist sehr wichtig, da bis zu 70 Prozent des späteren ökologischen Fußabdrucks schon im Produktdesign festgelegt werden. Stelle ich also fest, dass zum Beispiel in der Kategorie „Circular Product“ Verbesserungspotenzial besteht, kann ich gezielt an den definierten Kriterien arbeiten. Bei diesem Beispiel etwa an Möglichkeiten für umweltfreundlichere Verpackungen oder ich überprüfe, ob recycelte Materialien für das Produkt eingesetzt oder deren Anteil erhöht werden kann. 

Gibt es schon Beispiele für den Einsatz der Circular Scorecard?

Nina Stolle: Die Circular Scorecard wird jetzt schon auf erste Pilotprodukte angewandt. So haben wir in unserer Division Furniture Solutions die Circular Scorecard genutzt, um unsere nachhaltigen RAUKANTEX eco und RAUKANTEX evo Kanten zu bewerten. Die aktive Auseinandersetzung mit verschiedenen Nachhaltigkeitskriterien führte unter anderem zum gezielten Einsatz externer Rezyklate, dem Einsatz speziell zertifizierter Rohstoffe und der Berechnung von CO2-Footprints mit Unterstützung von Experten aus der Nachhaltigkeitsberatung.

Vielen Dank für die interessanten Einblicke!

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